Gisela – so hab ich ja mein Lymphoedem getauft – wandert offenbar gern.
Anders kann ich mir nicht erklären, warum es vom rechten Arm aus auch die Thoraxwand, den linken Arm und beide Flanken besetzt hat. Neueste Eroberung ein Gebiet auf dem linken Rippenbogen etwa am Ende des Sternums und im Unterbauch, aber die Stellung in der linken Flanke musste aufgeben werden. Offenbar mag sie meine Drehbewegungen/-haltungen im Yoga nicht. Aber sie wandert und macht sich manchmal hässlich breit, was leider auch Schmerzen verursacht.
Ich bin NICHT begeistert!
Seit meiner ersten OP im März 2019 lebe ich nun mit dem Lymphoedem, das mal mehr oder weniger Probleme macht, aber konsequente Therapie erfordert.
Kurz erklärt:
Das Lymphödem ist eine Ansammlung von Lymphflüssigkeit im Gewebe, die zu einer Schwellung führt. Sind die Lymphgefäße verletzt oder blockiert, kann die Lymphflüssigkeit nicht abfließen und sammelt sich im Gewebe an, das dann anschwillt, schmerzt, brennt oder sich schwer wie Blei anfühlt.
In der Medizin wird zwischen primärem und sekundärem Lymphoedem unterschieden.
Die deutsche Gesellschaft für Lymphologie erklärt das so:
„Es gibt primäre und sekundäre Lymphödeme. Bei den primären Lymphödemen handelt es sich um eine angeborene Fehlbildung und beim sekundären Lymphödem um eine im Laufe des Lebens erworbene Schädigung des Lymphgefäßsystems.“
Sekundäre Lymphoedeme betreffen oft uns Krebspatienten, entweder als Folge einer Lymphknotenoperation und/oder Bestrahlung oder aber wenn durch Wachstum des Tumors selbst oder aber seiner Metastasen, die Lymphbahnen verlegt oder gar blockiert werden – da nennt es sich dann malignes sekundäres Lymphoedem.
Lymphoedeme sind, wenn überhaupt bekannt, dann den meisten doch durch die charakteristischen dicken Arme oder Beine. Weniger bekannt, auch unter der Ärzteschaft, sind Lymphoedem wie meines, das eine sogenannte komplizierte Hand nach sich zieht, Schmerzen macht, aber wenig Schwellung und trotzdem ein Lymphoedem ist.
Grundsätzlich stützt sich die Therapie auf vier Säulen:
Entstauungstherapie + Kompressionstherapie + Selbstmanagement + Hautpflege
Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) hat dazu sogar die sogenannte AWMF – Leitline entwickelt, quasi als Entscheidungshilfe für Ärzte und Therapeuten, aber ich denke auch für den Patienten nicht schlecht zu wissen.
Entstauungstherapie findet mittels manueller Lymphdrainage (MLD) statt. Dabei gibt es zwei verschiedene Methoden, die beide das Ziel haben zum einen den Lymphfluss in Gang zu bringen und zum anderen gezielt betroffene Gebiete auszustreichen.
Dazu benötigt man eine Verordnung vom Arzt, die Ausfüllhilfe gemäß Heilmittelkatalog findet ihr hier oder unter dem Punkt Rat und Hilfe hier auf meiner Webseite, und natürlich einen Ausgebildeten Therapeuten.
Ausgebildet, nicht angeleitet!!! Ganz wichtig!
Es gibt so vieles zu beachten, was von Patient zu Patient auch völlig unterschiedlich ist, da reicht es nicht einfach nur die Handgriffe gezeigt bekommen zu haben. Leider ist das aber oft so, wie ich von vielen Mitpatienten in meinen Rehas erfahren habe.
Kompressionstherapie wird durch das Tragen einer Kompressionsversorgung erreicht oder am Anfang oder in der Reha mittels Kompressionsbandagierung. Hier soll erreicht werden, das nach erfolgter Lymphdrainage durch Anlage der Versorgung oder der Bandagierung im entsprechenden Körperteil nicht gleich wieder ein Lymphstau auftritt bzw. die Ausprägung vermindert wird, weil das körpereigene Lymphsystem das alleine nicht schafft.
Auch hierfür bekommt man eine Verordnung vom Arzt. Du hast Anspruch auf eine Grundausstattung mit zwei Paar Kompressionsstrümpfen. Durch das tägliche Tragen und Waschen deiner Kompressionsstrümpfe lässt der Kompressionsdruck langsam nach, es besteht deshalb die Möglichkeit, ein weiteres Paar verordnet zu bekommen. Auch wenn Maßänderungen notwendig sein sollten, kannst du eine Neuversorgung beantragen. In der Regel gilt jedoch: Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten zwei Kompressionsversorgungen pro Jahr.
Auf der Seite Lymphcare von Jobst ist das alles genau erklärt, direkt mit einer Art Fahrplan für Patienten.
Wichtig ist, das du deine Kompression regelmäßig trägst, sonst bringt die nämlich rein gar nix!
Selbstmanagement durch den Patienten, ganz großes Thema.
Dazu gehört natürlich sich um die Verordnungen zu kümmern, die Termine zur MLD wahr zu nehmen und die Kompression regelmäßig zu tragen. Außerdem soll der Patient diverse Alltagstipps befolgen und sich körperlich betätigen.
Während meinen Rehas habe ich sogenannte Entstauungsgymnastik erlernt, zusätzlich sind Sportarten wie Schwimmen, Nordic Walking, Radfahren, Yoga, Qigong oder Wassergymnastik sehr effektiv. Besser regelmäßig in kleinen Portionen, als einmal wöchentlich 3 Stunden. Weitere Tipps dazu findet ihr Lymphcare – Sport bei Lymphoedem.
Zum Selbstmanagement gehören aber auch Gewichtskontrolle, auf die Ernährung und die Fettwerte achten. Eine Lymphdiät gibt es so nicht, allerdings gibt es eine Reihe von Lebensmitteln, die dich bei der Gewichtskontrolle und Entstauung unterstützen können. Lass dir dazu am besten von einer Ernährungsberatung helfen, denn Essen ist Lebensqualität und sollte nicht durch strenge Verbote geprägt sein.
Hautpflege
Gerade, wenn du regelmäßig Kompression trägst, wirst du schnell merken, das deine Haut das nicht gerade lustig findet. Sie wird trocken.
Ich persönlich verwende abends nach dem Duschen eine Bodylotion mit Urea und komme damit gut zurecht. Du kannst aber auch zu speziellen Pflegeprodukten greifen, die der Kompressionshersteller für dich bereit hält. Das muss jeder für sich ausprobieren.
Worauf du unbedingt achten solltest, ist dich nicht zu verletzten und wenn doch, die Wunden im Blick zu behalten. Durch den gestörten Abtransport der Lymphflüssigkeit, ist die Gefahr für Entzündungen bis hin zum Erysiypel gegeben. Dazu findest du auch noch mal Tipps in den weiter oben erwähnten Alltagstipps.
Wie sieht denn jetzt mein Leben mit dem Lymphoedem aus?
Anfangs hab ich natürlich sehr damit gehadert. Ausgerechnet ich, wo ich doch wieder arbeiten wollte. Aber inzwischen kann ich sagen „Hey, wenn das der Preis ist, den ich für’s Leben zahlen muss, dann zahl ich ihn gern!“ Dafür habe ich einfach seit meiner Diagnose im Sommer 2018 schon zu viel erlebt und zu viele liebe Menschen gehen sehen.
Der Alltag gestaltet sich halt etwas anders, aber auch nicht so, das man oder äh Frau nicht zurecht kommt.
Morgens gehört eben das Anziehen der Kompressionsärmel dazu, die ich mir immer wieder in schönen Farben bei Juzo aussuche, wenn eine neue Verordnung ansteht. Sollte es mal arg sein und vor allem im Sommer oder wenn ich lange sitze, dann muss ich auch die Kompressionsjacke tragen oder wir tapen.
Tapen war ja der ultimative Tipp von meiner Lymphtherapeutin Frau Sondermann und ich muss sagen, ich komme damit bestens zurecht. Geht aber eben auch nur, wenn deine Haut nicht auf den Klebstoff und die Reizung vom Tape reagiert. Und es sollte NUR von jemandem angelegt werden, der sich mit tapen auskennt. Nicht nur vom YouTube Video!!!!
Was mir auch gut hilft, sind verschiedene Tee’s, die ein bisschen entwässern. Brennnessel, Birke, Löwenzahn oder Basen Tee.
Und natürlich unbedingt, wie oben schon geschrieben, sportliche Betätigung oder nein, nennen wir es körperliche Betätigung.
Angefangen vom 60min zügigen Laufen, über Yoga, Nordic Walking und ja auch Gartenarbeit (Vorsicht wegen der Verletzungsgefahr), über Meditation und Ruhepausen. Auf alles reagiert das Lymphoedem, bei mir offenbar auch, wenn die Psyche ein bisschen in Schräglage ist. Das ist aber auch etwas, was ich eben erst im Laufe der jetzt doch schon 4 Jahre heraus gefunden habe.
Leider, und deswegen kann ich ja unter anderem nicht mehr arbeiten, schränkt die Kompressionsversorgung auch ein. Manchmal drückt sie, manchmal kneift sie – vor allem, wenn olle Gisela sich wieder austobt. Und gerade der Haushalt und das Kochen sind etwas schwierig zu erledigen. Ich hab mit meiner Therapeutin einen sogenannten Strumpffreien Tag ausgehandelt. Da breche ich dann zum Großputz auf. Und im Garten trage ich auch schon mal nur die alte Versorgung, bei der der Handstrumpf noch einzeln war.
Wusstet ihr eigentlich, das man mit der Versorgung sogar schwimmen gehen kann? Gerade im Sommer sehr angenehm, wenn die dann auf der Haut wieder trocknet.
Wenn ihr noch weitere Informationen sucht, dann schaut gerne bei der deutschen Gesellschaft für Lymphologie vorbei. Dort gibt es auch ein Verzeichnis von Selbsthilfegruppen. Auch das Lymphnetzwerk, ist gut aufgestellt mit Informationen.
Tolle Beiträge und Tipps von meinen Bloggerkolleginnen findet ihr hier:
Su von Diagnose Leben – Stand up Paddling mit Lymphoedem
Steffi – Yoga bei Lymphoedem
Pauline Paulette – Frieden schließen mit dem Lymphoedem
Ich hoffe, ich konnte euch gut informieren und wenn es euch gefallen hat, dann abonniert doch gerne meinen Blog und empfehlt mich oder teilt den Beitrag.
Bis bald
Eure Anett